Evangelische Kirche

Evangelisch in Lenting

Wie viele oberbayerische Dörfer hatte auch Lenting bis um 1900 eine rein katholische Bevölkerung. Bei der Volkszählung des Königreichs Bayern 1871 gab es in Lenting und Hepberg keine evangelischen Einwohner, in Kösching nur fünf.  Ab 1903 wohnte in Lenting die erste evangelische Familie, die des Wallmeisters Ewald. Nach 1945 sorgte dann der Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen für eine deutliche Zunahme von evangelischen Mitbürgern.

Eine erste Betreuung der Diaspora Lenting mit Gottesdiensten ist 1946 in den Büchern der evangelischen Pfarrei St. Matthäus Ingolstadt dokumentiert. Stadtvikar Johannes Hahmann  versorgte die sogenannte Predigtstelle Lenting 1950 bis 1954. Für die nördlichen Diasporagemeinden war 1950 die neue Pfarrstelle Ingolstadt Nord geschaffen worden. Evangelische Gottesdienste fanden in der Peterskirche Kösching statt, Religionsunterricht in der Knabenschule Kösching.

Ab September 1954 gehörte Lenting mit Kösching und Hepberg zur Evangelischen Kirchengemeinde St. Lukas Ingolstadt und wurde von Pfarrer Hanskarl Müller versorgt. Seit dem Bau der neuen Lentinger Schule 1958 konnten die evangelischen Gottesdienste im alten Schulhaus von Lenting gefeiert werden, und ab 1959 war auch Platz für den evangelischen Religionsunterricht in der neuen Schule. Der Ort für Taufen und Trauungen blieb aber die Lukaskirche in Ingolstadt.

Lenting: Abschied von einem Provisorium
Evangelisches Gemeindezentrum mit Glockenturm, Lenting, Am Schanzl.  Foto: Greis

Im Jahr 1964 wurde die evangelische Kirchengemeinde St. Paulus Ingolstadt gegründet und Lenting der neuen Gemeinde zugeordnet. Unter Pfarrer Horst Höß (1964-1972) wurde das evangelische Gemeindezentrum „Am Schanzl“ in Lenting gebaut und an Weihnachten 1966 eingeweiht. Diese Montagekirche war bis zu Ihrer Entwidmung am 3. September 2017 für mehr als 50 Jahre Heimat der evangelischen Christen in Lenting und Hepberg, obwohl sie als „Provisorium“ für höchsten 10 Jahre geplant war. 1972 bis 1992 betreute Pfarrer Hanspeter Schamel die Diasporagemeinden von St. Paulus, dann die Pfarrer Winfrid Pidun, Dr. Markus Ambrosy, Bernd Feldner und Pfarrerin Stefanie Schmidt.

Parallel zu Lenting gab es seit 1969 für die Köschinger evangelische Gottesdienste in der Krankenhauskapelle und ab dem Jahr 2000 in der sog. Ladenkirche Kösching.

Neustart 2018 in Kösching „Abschied von der Behelfskirche“ titelte der DONAUKURIER am 5.9.2017. Es entstand damals die Idee, ein neues Gemeindezentrum am Westrand von Kösching zu bauen. Drei Gründe gab es für den Umzug: Die alte Behelfskirche „Am Schanzl“ war marode geworden, das Bauland in Lenting war knapp und in Kösching wohnten 1100 Protestanten, in Lenting nur etwa 670.

Unter großem Einsatz von Pfarrer Christoph Schürmann (Pfarrer seit 2011) wurde 2013-2018 die Dietrich-Bonhoeffer-Kirche mit Gemeindezentrum für Lenting, Hepberg und Kösching geplant und gebaut. Sie steht am Brunnhauptenweg 20 in Kösching. Am Pfingstmontag im Mai 2018 wurde sie mit einem Festgottesdienst durch Regionalbischof Hans Martin Weiß, Dekan Thomas Schwarz und Pfarrer Schürmann eingeweiht. – Die Symbole der Kontinuität: Die Glocke und die Orgel der neuen Kirche stammen aus dem Gemeindezentrum „Am Schanzl“ in Lenting.

Pfarrer Schürmann (li.) und Lentinger Besucher vor der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche. Foto:König  

Im November 2020 wechselte Christoph Schürmann als Pfarrer nach Vohburg. Pfarrerin Anja Raidel versorgte in der Übergangszeit 2020/21 die hiesige evangelische Pfarrgemeinde.

Im September 2021 übernahm dann Pfarrer Dr. Oliver Heinrich die evangelische Pfarrstelle von Kösching, Hepberg und Lenting. Er wohnt mit seiner Familie schon seit 2008 in Kösching. Im ersten Beruf war er Oralchirurg, nach seinem Theologiestudium wirkte er ab 2017 als Pfarrer in München.

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Quellen: Johann u. Brigitte Renner, Evangelische Kirchenchronik von St. Lukas Ingolstadt-Großmehring, Otto Frühmorgen in: Kösching Band II, Seite 273-275, Donaukurier 5.9.2017, 15.9.2021, Notizen von Pfarrer Christoph Schürmann.

Zuständigkeit: Evangelisches Pfarramt St. Paulus Ingolstadt, www.ingolstadt-sankt-paulus.de

Text: Walter Baumgärtner

Anhang:

Buchauszug aus Mia Mays Kindheitserinnerungen an die Nachkriegszeit in Lenting:

„Mit der Flut von Menschen aus allen Gebieten kommen auch welche an, die nicht katholisch sind. Ich kenne keine Protestanten, aber ich weiß, sie gehen nicht in unsere Kirche, beten kein „Gegrüßt seist du Maria..“, haben kein Weihwasser und beichten nicht im Beichtstuhl.
Ihre Kinder gehen auch nicht in den Religionsunterricht, sondern halten sich dann im Hof auf. In meiner Klasse sind keine Protestantenkinder. Gott sei Dank, denn wie man so hört, darf man diesen Leuten und auch ihren Kindern  nicht über den Weg trauen.
Mama, Mutti und Tante haben keine Vorurteile, aber ich! Schon das Wort „Protestanten “ hört sich sehr gefährlich an!
Ich bin mit Mama und Tante unterwegs, als uns einige Leute entgegen kommen. Tante flüstert der Mama zu: „Das sind die Diepolds, das sind  Protestanten.“

Ich erschrecke sichtlich und greife nach Mamas Hand. Aber ich bin auch neugierig. Wie diese gefährlichen Leute wohl ausschauen? Da muss man doch was merken!
Schon sind die drei Diepolds in unserer Höhe und gehen vorbei. Es ist eine kleine, etwas rundliche Frau mit einem freundlichen Gesicht, ein älterer Mann mit langsamen Schritten und ein kleiner, schüchterner Bub, der vielleicht in Roberts Alter ist. Sie grüßen uns freundlich, sagen zwar nicht „Grüß Gott“, sondern „Guten Tag“. Das war es.

Mama und Tante sagen: „Des san doch genau so Menschen wia mia (wie wir)!“

Meine Angst ist vorbei.“

(Mia May, Aus, Äpfel ,Amen!  Band I, Mia die Feder, Seite 167 f.)